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Kunstschule kämpft um Schüler: „Kunstaffinität ist kurz vor dem Erliegen“

Neukirchen-Vluyn. Seit 27 Jahren bieten Gabriele Berndt-Bathen und Gerrit Klein in Neukirchen-Vluyn Kunstunterricht an. Doch die Zahl der Schüler sinkt – die Gründe. NRZ vom 20.10.2025 von Christian Schyma. Gabriele Berndt-Bathen und Gerrit Klein leiten die Kunstschule. © FUNKE Foto Services | Rainer Hoheisel

Schrauben, Knöpfe, Wäscheklammern, Haselnüsse und jede Menge Plastikteile. Vom Krimskrams ist es überhaupt nicht weit zur Kunst. Hier am Schulplatz in Vluyn. Die vielen Schalen und Expeditionskisten im Haus der Kunstschule verbergen ein ganz spezielles Kunstgeheimnis. Über den Zugang des späteren Kunstschaffenden zum einen, über seine Kreativität zum anderen. „Wie da jemand etwas greift, zeigt uns sofort, wohin der Weg geht”, schmunzelt Gabriele Berndt-Bathen. Nämlich wie man beim Pinzettengriff seinen Daumen und Zeigefinger zusammenführt, wie die Handhaltung aussieht. Später in den Klassen dann werden die Kisten zum schier unerschöpflichen Fundus für allerlei Kunstprodukte.

Seit nunmehr 27 Jahren nehmen Gabriele Berndt-Bathen und Gerrit Klein, die Gründer und Geschäftsführer der Kunstschule Neukirchen-Vluyn, kreative Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit auf ihre Reise in die Welt der Kunst. In diesem Kleinod, das mit seiner Mischung aus Wohnhaus, Treffpunkt der Generationen und Kreativzentrum einen ganz besonderen Reiz versprüht. Derzeit hat die gemeinnützige Privatschule rund 100 Schüler, die in einem Klassensystem ausgebildet werden: Von den Elementarklassen (Grundschule), über die Förderklassen (7. bis 10. Schuljahr) und Sekundarklassen (Oberstufe) bis hin zur Erwachsenenbildung.

Doch wie überall hat auch die Kunst in Vluyn zu kämpfen, die Zahl der Schüler geht kontinuierlich zurück. Mit 180 hat die Kunstschule angefangen, jetzt ist es nur noch etwas mehr als die Hälfte. Auch Gerrit Klein gibt sich da keinen Illusionen hin: „Sagen wir es ruhig offen, die Kunstaffinität ist kurz vor dem Erliegen.“ Weil das Interesse für die Kunst im Elternhaus kaum gefördert wird, Kunst dort oftmals sogar auf Ablehnung stößt. Warum sollten unsere Kinder darin gefördert werden, was uns selbst nicht interessiert, sei da die vorherrschende Meinung. Auch die Schulen würden sich wenig um den Zugang zur Kunst kümmern. So haben sich in diesem Jahr bei der Kunstschule keine Interessenten für die beiden Stipendien beworben.

Ein großer Knick war auch die G8-Regelung, das Abitur nach zwölf Jahren. „Da haben wir auf einmal 30 Schüler verloren“, erinnert sich Gabriele Berndt-Bathen. „Und die sind auch nicht zurückgekommen.“ Kulturelle Bildung habe eben keine Lobby, ärgert sich Gerrit Klein. „Aber wir haben oben noch eine….“ Und zeigt beim Rundgang durchs Haus stolz die vielen kleinen und großen Räume der Kunst. Überall stehen Staffeleien, Gläser mit zig Pinseln darin. An den Wänden hängen die Bilder der Kunstschüler, auf einem Tisch sind die Ergebnisse des Themas „Kirmes“ zu bewundern, auf einer Fensterbank die mit dem Thema „Roboter“.

Zeichnen, Malen, Bildhauerei und Druckgrafik – auf diesen Säulen steht der Kunstunterricht. Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Arbeit mitbestimmen, wobei die individuelle Förderung immer im Vordergrund steht. Die Qualität der Dozenten ist dabei entscheidend, da setzt Gerrit Klein auch einen hohen Maßstab an: „Sie müssen sehr, sehr flexibel und breit aufgestellt sein. Der Dozent muss es können.“ Denn hier in der Kunstschule geht es nicht wie im Sport um das Leistungsprinzip, auch nicht wie im Musikunterricht um den Fleiß beim Üben. „Man wird am Ende nicht erkennen, ob ein Schüler erst seit zwei Monaten oder schon seit fünf Jahren hier ist“, betont Gabriele Berndt-Bathen. Ziel sei es vielmehr, in der gleichen Zeit mit dem Projekt fertig zu sein. Begleitet von Offenheit und Lebendigkeit, Technik und Intuition.

Einmal pro Woche für 90 Minuten treffen sich die Klassen mit jeweils sechs bis acht Teilnehmenden. Die Schüler kommen dabei aus einem Umkreis von Rheinberg bis Kempen und Krefeld, zu den gelegentlichen Workshops auch schon mal aus Hamburg angereist. Die jüngsten Kunstschüler sind sechs Jahre alt, die ältesten Mitte 60. Im Durchschnitt nehmen etwa acht bis zehn Jahre am Unterricht teil. Gerrit Klein konzentriert sich vor allem auf den Bereich Bildhauerei, Gabriele Berndt-Bathen mehr auf die Malerei. Tochter Katharina Berndt-Sherwen ist ebenfalls als Dozentin mit im Team, will später einmal die Kunstschule weiterführen.

Schon seit zehn Jahren betreut Gerrit Klein eine Männer-Gruppe: „Für sie ist es ein sinnvolles Hobby – das aber unter nur unter Anleitung funktioniert, nur im Ambiente der Kunstschule.“ Erwachsene brauchen mehr Hilfen, mögen das Zugucken. Kinder dagegen wollen vieles selbst machen, sich ausprobieren. Was die jungen und älteren Künstler so produzieren, zeigt die Kunstschule jedes Jahr im Mai im Rahmen einer Ausstellung. In der jetzt anstehenden Weihnachtszeit werden wieder die sehr beliebten Weihnachtsengel gebastelt. Mal aus Parfumflacons, mal aus Underberg-Flaschen. Woraus in diesem Jahr der Körper der Engel besteht, ist aber noch nicht abschließend geklärt. Muscheln werden auf jeden Fall auch eine Rolle spielen.

Gerrit Klein und Gabriele Berndt-Bathen sind ein eingespieltes Team, kennen sich schon aus der gemeinsamen Zeit in Moers und dem Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf. Während dieser Zeit ist auch die Idee einer Kunstschule entstanden. Und eines Tages wurde dem Duo zufällig das Gebäude der früheren Saaten-Großhandlung am Schulplatz angeboten. „Die Eröffnung der Kunstschule war die wohl beste Idee“, finden Gabriele Berndt-Bathen und Gerrit Klein. „Heutzutage wäre das nicht mehr möglich gewesen.“ Die beiden Gründer haben dabei das Zepter immer in der Hand gehalten, das Gebäude inzwischen auch gekauft. „Wir konnten die Stellschrauben immer selbst setzen, das war wichtig.“

Und was die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen hier so zaubern, ist beachtlich. Wie die Pop-Art-Werke in der Tradition des Amerikaners Roy Lichtenstein. Oder das Brandenburger Tor eingebettet in ganz ungewöhnlicher Landschaft. Nicht zu vergessen die Kirmes-Karusselle. Die Bestätigung für die gute Arbeit der Kunstschul-Dozenten gibt‘s gleich an der Tür. „Die Schüler gehen mit einem Lachen nach Hause, das freut uns“, sagt Gerrit Klein.

Wichtig für die Kunstschul-Macher ist auch eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit. Neben dem monatlichen Schulgeld in Höhe von 74 Euro pro Teilnehmer gibt es regelmäßige Zuwendungen von Förderern, Organisationen, Vereinen und auch Privatleuten. Ähnlich permanent fließt auch der Material-Nachschub. „Da rufen immer wieder Menschen an, die uns etwas anbieten“, verrät Gerrit Klein. „Die Dinge kommen irgendwie zu uns.“ So wächst der Fundus im Lagerraum stetig. Speziell in der Kramkiste. Viele Kunstschüler sind hier mit dem Krimskrams groß geworden. Gerade haben aber vor allem die Enkelkinder von Gabriele Berndt-Bathen ihren Spaß daran.

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